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Allan Kardec — sein Leben

 

Allan Kardec ist ein Pseudonym für Dénizard-Hippolyte-Léon Rivail, der am 03.10.1804 in Lyon (Frankreich) geboren wurde und am 31.03.1869 in Paris starb. Sein Lebensablauf ab seiner Kindheit (1804 - 1814) lässt sich in fünf Abschnitte gliedern:

 

Der Schüler von Johann Heinrich Pestalozzi in Yverdon / Schweiz   (1814 - 1818)

Denizard Hipolyte Léon Rivail wuchs in einer wohl disziplinierten familiären Atmosphäre in Lyon auf. Sein Vater, erfahrener Jurist und feinsinniger Diplomat, zeigte ihm durch sein integres Verhalten den Sinn von Gerechtigkeit und Aufrichtigkeit. 1814, nach seinen ersten vier Schuljahren, schickten seine Eltern ihn in die ruhige und friedliche Schweiz nach Yverdon zu dem schweizerischen Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi (geboren am 12. Januar 1746 in Zürich und gestorben am 17. Februar 1827 in Brugg). Pestalozzi gilt als der Wegbereiter der modernen Pädagogik; außerdem machte er sich als Philanthrop, Schul- und Sozialreformer, Philosoph, sowie Politiker einen Namen. Einen stark zusammengefassten Lebenslauf, ebenso wie ausführliche gut fundierte Informationen zu Pestalozzi finden Sie hier auf dieser Seite.

 

Die Schule Pestalozzis lag in einer bezaubernden Gegend im Kanton Waadt am südwestlichen Ende des Neuenburgersees, hatte einen guten Ruf und langjährige Erfahrung. Yverdon war eine Sammelstätte für Kinder aus aller Welt – über die Unterschiede von Sprachen, Glauben, Zivilisation oder Rassen hinweg. Hier und mit Hilfe von Pestalozzi lernte der junge Rivail den Sinn der gleichzeitig väterlichen und liberalen Erziehung kennen.

Als sehr begabter und lernwilliger Schüler, erklärte der junge Rivail von seinem vierzehnten Lebensjahr an seinen langsameren Mitschülern die Lektionen des Meisters, wenn sie etwas nicht begriffen hatten. Er wurde ein begeisterter Anhänger und vertrat und ergänzte oft den Meister.

Pestalozzis Ziel, seine Schüler die Kunst des Lernens zu lehren, hatte großen Einfluss auf den jungen Rivail. Er vergaß nie die Lektion seines Meisters: eine Wissenschaft zu gründen, gleichgültig, ob sie erzieherisch, theoretisch, beobachtend oder experimentell ist, bedeutet vor allem, von dem Element Natur auszugehen.

 

Der Student   (1818 - 1824)

Denizard Hipolyte Léon Rivail hatte eine gute humanistisch-kulturelle Grundausbildung genossen und stets großes Verlangen, sich mehr Kenntnisse und Wissen anzueignen. Alte Sprachen und die Wissenschaften Biologie, Geologie, Chemie und Physik interessierten ihn gleichermaßen. Da die damalige Medizin ihm die merkwürdigen, von Franz Anton Mesmer (geboren am 23. Mai 1734 in Iznang; gestorben am 5. März 1815 in Meersburg) doch so allgemeinverständlich gemachten Phänomene des Magnetismus nicht erklären konnte und sich die Akademie von Paris gegen diese Gedanken stellte, verlor Rivail das Interesse am Medizinstudium, dem er von 1819 - 1822 nachging. Zudem hatte Pestalozzi ihm ab 1819 erlaubt, ihn in Yverdon zu vertreten, was Rivails pädagogische Berufung noch verstärkte. Wieder zurück in Frankreich, setzte er die Lehren Pestalozzis sofort in die Praxis um und widmete sich der Ausbildung von Schulkindern.

 

Der Pädagoge   (1824 - 1848)

In diesem Lebensabschnitt schien Rivail seine Berufung gefunden zu haben. Bereits mit zwanzig wollte er sich, wie er im Vorwort seines ersten Werkes: “Theoretischer und praktischer Arithmetikunterricht” schrieb: ”für die Jugend nützlich machen”. Aus Dankbarkeit für seinen großen Meister unterschrieb er lange Zeit all seine Werke mit dem Zusatz “Schüler Pestalozzis”.

1828 gründete er in Paris, in der Rue de Sèvres, eine Einrichtung nach dem Vorbild und den Ideen seines Lehrmeisters Pestalozzi in Yverdon, zu der ein Onkel ihm das Kapital gab. Hinter seinem Plan stand der Gedanke Pestalozzis: das Kind, das von der Natur in die Welt gesetzt wurde und sich nur entfalten braucht; wobei seine Pädagogik darauf ausgelegt war, Missbrauch und Verführungen zum Bösen zu vermeiden. Deshalb schlug er auch die Schaffung einer ”theoretischen und praktischen Schule der Pädagogik” vor, in der man drei Jahre alles lernt, was zu der Kunst gehört, Menschen zu formen: das erste Jahr Theorie, das zweite Jahr Theorie und Praxis, das dritte Jahr nur Praxis.

 

Sein Institut genoss einen guten Ruf und lockte Gleichgesinnte an. Was ihm jedoch Sorge bereitete, war die fehlende Betonung der ethisch-moralischen Bildung, die einzige, die aus einem Kind einen gerechten Bürger und einen Menschen voller Nächstenliebe macht.

1831 schriebt er “Mémoire”, in dem er die Hierarchie der Aristokratien in der Geschichte der Menschheit aufstellte, um daraus ein wirksames Gesetz zur Schulausbildung von Kindern zu entwickeln. Die königliche Akademie von Arras zeichnete dieses Werk aus.

Zur gleichen Zeit lernte er als Leiter seines Instituts die diplomierte Lehrerin und seine zukünftige Frau Amélie Boudet kennen. Am 6. Februar 1832 wurde der Heiratsvertrag unterschrieben. Über seine Ehe ist nichts bekannt, aber sie müssen sich gut ergänzt und verstanden haben, da seine Frau ihn voll unterstützt hat, als sie ihr Institut wegen Spielschulden des Geldgebers, seines Onkels, verkaufen mussten. Rivail nahm daraufhin drei Posten als Buchführer an und verbrachte die Feierabende damit, weitere Werke über Didaktik, Pädagogik, Chemie, Physik, Arithmetik, Geometrie, Geschichte, literarische und philosophische Fragen und vieles andere zu schreiben.

Seine Werke zeichnen sich aus durch Kürze, Klarheit, Logik, Anschaulichkeit und Eindeutigkeit – Charakteristika, die wir in seinen spiritistischen Werken wiederfinden.

 

Der Vielseitige   (1848 - 1854)

Aufgrund seiner soliden und tiefgründigen Forschungen für den Inhalt seiner Bücher war Rivail kaum etwas unbekannt – er entwickelte seine Universalität unentwegt weiter. Ihm waren Freiheit, Toleranz und Nächstenliebe wichtiger, als irgendeine Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Religion oder Glaubensrichtung. Deshalb fand er auch Affinität zu den französischen Freimaurern, deren Ziel die materielle Besserstellung und moralische Aufwärtsentwicklung des Menschen war – Freiheit, Gleichheit, Toleranz und Brüderlichkeit waren seine Ideale. Diese fand er in Verbindung mit sozialistischen Ideen der französischen Revolution (1789 bis 1799), sowie mit den christlichen Grundideen im Spiritualismus – im solide fundierten Spiritismus – wieder und widmete sich demzufolge dieser Ideologie, dieser Lebensphilosophie für den Rest seines Lebens.

 

Der Spiritist »Allan Kardec«   (1854 - 1869)

Als ab 1848 die Welt von Berichten über spiritistische Phänomene in Zusammenhang mit den amerikanischen Geschwistern Leah Fox (1814–1890), Margaret / Maggie Fox (1833–1893) und Kate Fox (1837–1892) überschwemmt wurde, wandte sich neben anderen Wissenschaftlern auch Denizard Hipolyte Léon Rivail mehr und mehr diesem seltsamen Phänomen des Okkultismus zu, weil er einen tieferliegenden Sinn dahinter vermutete.

Nach Jahren ernsthafter Recherche erschien am 18. April 1857 unter seinem Pseudonym Allan Kardec das erste seiner fünf Hauptwerke zu diesem Thema:
• Le Livre des Esprits – Das Buch der Geister – als philosophischer Teil dieser Serie.

Am 1. April 1858 gründete er in Paris die erste regelrecht eingesetzte spiritistische Gesellschaft unter dem Namen: „Société Parisienne des Etudes spirites“, deren ausschließliches Ziel das Studium alles dessen war, was zum Fortschritt dieser neuen Wissenschaft beitragen konnte.

Nach weiteren Erforschungen folgte im Januar 1861 sein zweites Werk:
• Le Livre des Médiums – Das Buch der Medien – als experimentell-wissenschaftlicher Teil dieser Serie.

Im April 1864 folgte das dritte seiner fünf Hauptwerke:
• L‘Evangile selon le Spiritisme – Das Evangelium im Lichte des Spiritismus – als ethisch-moralischer Teil dieser Serie.

Zu diesem Werk heißt es in einer Biographie: ”Anstatt des Grundsatzes: außerhalb der Kirche kein Heil, welcher die Trennung und Erbitterung zwischen den verschiedenen Sekten unterhält und der so viel Blutvergießen in früheren Zeiten gekostet hat, erhob der Spiritismus die Wahrheit zum Grundsatz: außerhalb der Nächstenliebe kein Heil, d.h. Gleichheit unter den Menschen vor Gott, Toleranz, Gewissensfreiheit und gegenseitiges Wohlwollen! Anstatt des blinden Glaubens, der die Denkfreiheit vernichtet, sagt er: Es gibt keinen unerschütterlichen Glauben, welcher der menschlichen Vernunft aller Zeitalter ins Auge sehen kann. Der Glaube braucht eine Basis, und diese Basis ist die vollkommene Einsicht dessen, was man glauben soll; um zu glauben, genügt es nicht zu sehen, man muss vor allem verstehen. Der blinde Glaube ist nicht mehr Sache dieses Jahrhunderts; denn gerade das Dogma des blinden Glaubens erweckt heute die größte Zahl der Ungläubigen, weil er sich aufdrängen will und weil er die Hingabe einer der kostbarsten Fähigkeiten des Menschen verlangt: die Vernunft und den freien Willen.”

 

Allan Kardec gilt bis heute als der Begründer der westlichen Lehre der Wiederverkörperung, der Reinkarnation und des so genannten Reinkarnations-Spiritismus als Wissenschaft; er holte den Spiritismus aus dem Okkulten, aus der Geheimwissenschaft und wertete ihn zur Parapsychologie, zur wissenschaftlich fundierten PsychoBioPhysik auf. Seinen Büchern – dem Kardecismus – war ein enormer internationaler Erfolg beschieden; zeitweilig hatte Kardec mehr als 1 Million Anhänger in Europa. Vom Erzbischof von Barcelona wurde Kardec allerdings geächtet und 300 Bände seiner Bücher wurden am 09.10.1861 auf der Esplanade von Barcelona verbrannt.

 

Auf seinem Grab auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise steht noch heute ein so genannter Menhir (keltischer Druidenstein), der von seinen Verehrern das ganze Jahr über mit Blumen geschmückt wird. Sein Grab ist stets von anonymen Verehrern umlagert, die hier gedankenversunken ein paar Minuten verweilen. Die linke Schulter seiner Büste zeigt von Berührungen der Besucher schon deutliche Spuren der Abnutzung.

 

Hier finden Sie eine Biographie von Allan Kardec
aus der ”Revue Spirite“ vom Mai 1869
von Franz Sucher, Pfleger des ”Deutschen Spiritisten-Vereins“

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